Rückkehr zur Meisterpflicht: Ein Meilenstein für die Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
Kreis Siegen-Wittgenstein/ Kreis Olpe. Bundesweit haben Gewerkschaften und Verbände für die Rückkehr zur Meisterpflicht gekämpft. Auch die Vertreter der heimischen Fliesenfachgruppe haben sich für diesen wichtigen Schritt in ihrem Gewerk eingesetzt. Am 01.01.2020 war es dann endlich soweit: Die Meisterpflicht für Fliesen-, Platten- und Mosaikleger wurde – wie auch für 11 andere Gewerke – wieder eingeführt. Michael Bär, Fliesenlegermeister aus Siegen, und Fliesenlegermeister Ralph Werthebach aus Netphen erklären, was diese glückliche Entscheidung für ihren Berufsstand bedeutet.
Als 2004 im Rahmen der Agenda2010 die Meisterpflicht von 94 auf 41 Gewerke reduziert wurde, hatte das zahlreiche Konsequenzen für die betroffenen Handwerksberufe – so auch für die Fliesenleger. Nicht nur, dass sich fortan jeder – auch ohne adäquate (Meister-)Ausbildung – mit eigenem Betrieb selbstständig machen und ungeprüft seiner Tätigkeit nachgehen konnte, sondern auch die Marktbedingungen änderten sich schlagartig für die etablierten Fliesenleger-Meisterbetriebe. Als Folge dieser Entscheidung explodierte die Zahl der Betriebe in diesem Gewerk: Im Jahr 2004 – vor Abschaffung der Meisterpflicht als Kriterium für die handwerkliche Selbstständigkeit – gab es in Deutschland 12.400 Fliesenleger-Meisterbetriebe. In den Folgejahren stieg die Zahl weiter an und kletterte im Jahr 2018 auf etwa 69.300 eingetragene Betriebe in diesem Bereich. Darunter ist eine Vielzahl von günstigeren, aber weniger gut ausgebildeten Einzelunternehmern, die keine weiteren Arbeitsplätze schaffen und durch teilweise fehlerhafte Arbeiten das Image des gesamten Gewerks schädigen. Alle über einen Kamm scheren möchten Ralph Werthebach und Michael Bär nicht: „Neben den vielen Negativ-Beispielen gibt es hier natürlich auch Gesellen, die viel Berufserfahrung haben und alleine gute Arbeit leisten.“
Verbraucherschutz, Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit
Etwa die Hälfte dieser überwiegenden Ein-Mann-Betriebe ist jedoch nach circa fünf Jahren wieder vom Markt verschwunden. Bestehen dann von Seiten der Kunden noch Gewährleistungsansprüche, so bleiben sie darauf meist sitzen. Ralph Werthebach warnt: „Wichtig zu wissen ist für alle Endkunden, dass sich viele Einzelbetriebe noch kurz vor der Gesetzesänderung bei der Handwerkskammer haben eintragen lassen, damit sie um die Meisterausbildung herum kommen. Doch die Meisterausbildung macht man ja nicht umsonst: Mit dieser fundierten fachlichen Ausbildung ist ein Qualitätsversprechen an unsere Kunden verbunden.“ Und wenn diese wichtige Qualifizierung fehlt, habe das meistens auch Auswirkungen auf die Ausführung der Arbeiten. Zurück bleiben dann Schäden, die den Kunden verärgern, das Image schädigen und auch die Meisterbetriebe belasten. Das ärgert auch Michael Bär und Ralph Werthebach. Die beiden Fliesenleger-Meister betonen: „Auch wenn die Meisterarbeit einmal teurer ausfallen sollte – die Kunden bekommen hier hochwertige, langlebige und dadurch auch nachhaltige Arbeiten, sodass es sich letztendlich auch für die Kunden lohnt, hier auf das Fachwissen eines Meisterbetriebs zu vertrauen.“ Daher sei die Rückkehr zur Meisterpflicht nun auch ein Schritt zum besseren Verbraucherschutz.
Ausbildung sichern
Auch wenn die Auswirkungen durch die Rückkehr zur Meisterpflicht erst langfristig spürbar werden, sehen die beiden Fliesenleger-Meister aus dem Siegerland insbesondere im Bereich der Ausbildung entscheidende Vorteile. Denn: Wenn es durch die Rückkehr zur Meisterpflicht wieder mehr meistergeführte Betriebe gibt, wird die Ausbildungsbereitschaft ansteigen, da mehr Gesellen auch langfristig in den Betrieben verbleiben. Diese Entwicklung ist für den Stand der Fliesen-, Platten-, und Mosaikleger existenziell, da auch in diesem Gewerk der Fachkräftemangel deutlich zu spüren ist. Michael Bär erhofft sich außerdem, dass auch die Qualität der Ausbildung durch die Meisterpflicht wieder an Wert gewinnt. Da man sich nun nur mit einem Meisterbrief in der Tasche selbstständig machen kann, wird den jungen Fachkräften hier ein Anreiz zur Meisterausbildung gesetzt, was sich wiederum in der Qualität der Arbeiten widerspiegeln und somit auch das Image des gesamten Gewerks verbessern wird. „Hier können angehende Meister neue Maßstäbe setzen“, so Ralph Werthebach. In der Region finden junge Handwerker und die, die es werden möchten, beste Voraussetzungen: Das Aus- und Weiterbildungszentrum Bau in Kreuztal-Fellinghausen bietet die überbetriebliche Ausbildung in modern ausgestatteten Werkstätten und Schulungsräumen sowie betriebliche Weiterbildung. Für Auszubildende im Sieger- und Sauerland ist das ein echter Pluspunkt.
Zukunftsperspektiven: Weiterbildung und Innungsarbeit sehr wichtig
Für die Zukunft hofft er, dass sich wieder mehr Fachkräfte, die ein Kleingewerbe betreiben, in ein Anstellungsverhältnis im Meisterbetrieb begeben: „Wichtig ist, dass es auf dem Markt auch größere Betriebe gibt, die mit eigenen gut ausgebildeten Mitarbeitern größere Projekte realisieren können. Durch auskömmliche Preise sind die Betriebe wieder in der Lage, ihre Mitarbeiter in der Weiterbildung zu fördern und Seminare zu ermöglichen. Das kommt nicht nur dem Endverbraucher in Form von hochwertiger und sorgfältig ausgeführter Arbeit zugute, sondern der gesamten Volkswirtschaft.“ Michael Bär fügt hinzu: „Das sind in der Regel auch Innungsbetriebe. Sie sind organisiert und legen Wert auf Weiterbildung in vielen Bereichen. Das steigert die Qualität und macht Betriebe leistungsfähiger.“ Größere Betriebe könnten außerdem einen reibungslosen Ablauf von Projekten ermöglichen, da mehr Mitarbeiterkapazitäten vorhanden seien und die Arbeiten auch bei einem Ausfall durch Krankheit trotzdem weitergeführt werden könnten. Die beiden Handwerksmeister aus dem Siegerland sind sich einig, dass es in den nächsten Jahren ganz besonders auf das Engagement und auf die Organisation in der Innung vor Ort sowie die in den Verbänden ankommt. „Die Betriebe müssen näher zusammenrücken, denn nur gemeinsam können wir gehört werden und uns für die Zukunftsfähigkeit unseres Gewerks einsetzen.“ Nur so sei es möglich, die Weichen auch für die nächste Generation zu stellen und die Handwerkskunst der Fliesen-, Platten- und Mosaikleger langfristig zu sichern.
Ausblick: Mehr Wertschätzung in der Gesellschaft
Die Rückkehr zur Meisterpflicht ist neben allen praktischen Vorteilen, die sich für das Gewerk bieten, vor allem auch ein Zeichen der Wertschätzung. Dadurch erhoffen sich die beiden Fliesenlegermeister Michael Bär und Ralph Werthebach auch eine bessere Wahrnehmung ihres Berufsstands in der Gesellschaft. In den letzten 15 Jahren sei das Berufsbild mehr und mehr zerstört worden. Nun komme es darauf an, die Chancen, die sich durch die Rückkehr zur Meisterpflicht ergeben, auch zu nutzen. „Nun können wir wieder erhobenen Hauptes Botschafter unseres Berufsbildes in die Schulen schicken und dafür werben. Wir haben im Handwerk Menschen, die aus vielen Materialien Neues entstehen lassen und dadurch ihre Innovationskraft, ihren Idealismus und ihre Leidenschaft sichtbar werden lassen. Das sollte in der Gesellschaft wieder klar zum Ausdruck kommen und auch wertgeschätzt werden“, bricht Ralph Werthebach abschließend eine Lanze für das Handwerk. Insgesamt sehen die Fliesenlegermeister durch die erfreuliche Gesetzesänderung positiv in die Zukunft und möchten die neuen Marktchancen für Meisterbetriebe effektiv nutzen.
Michael Bär, Fachgruppenleiter Fliesen in der heimischen Bauinnung Westfalen-Süd sowie Mitglied der Landesfachgruppe Fliesen und Naturstein Westfalen.
Ralph Werthebach, stellvertretender Obermeister der Bauinnung Westfalen-Süd zugleich Fliesen- Platten- und Mosaiklegermeister.
© Text: TEXTWERK ATTENDORN, Rebecca Dalhoff, Attendorn